![]() 1. Einleitung 2. Spiele und Spielzeug 3. Ballspiele ![]() Viele Geschicklichkeitsspiele der griechisch-römischen Antike konnten entweder mit Astragalen, Steinchen oder Nüssen gespielt werden. Es ist bezeichnend, dass Kinder - in der Antike ebenso wie noch heute Kinder in ärmeren Schichten und Ländern - oft Gegenstände des Alltags zu Spielzeug umfunktionieren. Nüsse waren leicht erhältliche und vor allem billige Spielzeuge, da sie in erster Linie ein Nahrungsmittel darstellten. Eine besonders ergiebige archäologische Quelle zu den Nussspielen sind die römischen Marmorsarkophage, die häufig Kinder beim Spielen abbilden. Auf dem Sarkophag in Rom, Vatikanische Museen, Gall. Chiaramonti Inv. 662 beobachten wir Kinder beim Ludus castellorum. Dieses Spiel hatte zum Ziel, die auf dem Boden aufgetürmten Nusspyramiden mit weiteren Nüssen zu zerschlagen. Auf demselben Sarkophag lassen Kinder ihre Nüsse eine schiefe Ebene hinabrollen. Es ist denkbar, dass man diese Nüsse auf bereits am Boden liegende Nüsse lenkte bzw. ähnlich dem Boggia-Spiel einem festgelegten Ziel am nächsten kommen musste, wobei es durchaus erlaubt war, die Nüsse des Gegners fort zu kicken. ![]() Die Anth. Pal. XIV, 62 klärt uns darüber auf, dass Bälle in der Antike aus Leder- oder Stoffstücken zusammengenäht und mit Rosshaar gefüllt waren. Den Darstellungen auf griechischen Vasen nach zu urteilen, gab es je nach Sportart Bälle verschiedener Größe. Manchmal sind sie in den Darstellungen so klein und ungenau gezeichnet, dass sie unmöglich hundertprozentig von anderen Objekten wie z.B. Früchten unterschieden werden können. Abgesehen von den komplexen Feldspielen, die meist in Mannschaften gespielt und die hier gesondert abgehandelt werden, sind uns eine Reihe von Spielen bekannt, die auch allein oder zu zweit und ohne Anspruch an sportliches Know-how vor allem von jüngeren Altersstufen gespielt werden konnten. Bei einer Art Schlagball gab es einen Schläger und einen Fänger, bei dem Spiel Torball musste der Ball durch ein Tor geschlagen werden, ähnlich dem heutigen Kricket. Aporraxis meint wohl, den Ball möglichst oft auf den Boden prallen zu lassen. Orca/Tropa, das eigentlich eher mit Nüssen, Bohnen oder Astragalen gespielt wird, kann ersatzweise auch mit Bällen gespielt werden. Das Jonglieren wird häufig auf den griechischen Vasen als Beschäftigung junger Mädchen dargestellt. ![]() Ephedrismos bezeichnet im wesentlichen unser heutiges Huckepack. Es gibt eine Vielzahl von Terrakottastatuetten, die junge Mädchen Huckepack zeigen. Noch auf den römischen Sarkophagen kann man Kinder oder Eroten bei diesem Spiel beobachten. Es kann zum Eigenzweck gespielt werden oder Teil eines anderen Spiels sein. So meint z.B. R. Schmidt, dass der Verlierer eines Wurfspieles verpflichtet ist, den Gewinner auf seinem Rücken eine bestimmte Wegstrecke lang zu tragen. In manchen Fällen werden dem Träger dabei die Augen zugehalten. Huckepack ist auch kombiniert mit einem Ballspiel bekannt, bei dem sich die jeweiligen Getragenen Bälle zuwerfen. Dies ist beispielsweise auf der Vase Oxford, Ashmolean Museum V250 zu sehen. ![]() Die in der Regel brusthohen Reifen aus Holz oder Bronze wurden mit einem Stab angetrieben. Auf griechischen Vasen ist das Reifenschlagen oft eine Freizeitbeschäftigung von Jünglingen, die an der Schwelle des Erwachsenwerdens stehen, so z.B. auf dem Stück Paris, Louvre G175. Vermutlich wählte man deshalb den Reifen auch als Attribut des Eros und des Ganymed, dem Liebling des Zeus. ![]() In der griechischen Antike waren für das Wort "Puppe" unter anderem auch die Begriffe "kore" oder "nymphe" gängig. Beide meinen junge Mädchen in der Blüte ihrer Jugend, "nymphe" aber wird auch die Braut genannt bzw. ein Mädchen, welches das richtige Alter zur Verheiratung erreicht hat. Während Puppen heute überwiegend aus Stoff oder Plastik, bestenfalls aus Porzellan bestehen, bot die Antike, was das Mädchenherz begehrte: Puppen aus Holz, Ton, Gips, Elfenbein, Marmor, Alabaster, Leder oder Stoff. Es kam ganz auf den Geldbeutel von Papa an. In der Klassik reichte die Bandbreite von Puppen mit beweglichen Gliedern, Sitzpuppen mit oder ohne Thron bis hin zu Puppen, die Gliedmaßen nur in Ansätzen besaßen und die möglicherweise als Anziehpuppen Verwendung fanden. ![]() Das Innenbild einer Trinkschale in Brüssel (Musées Royaux d´Art et d´Histoire A891) gibt uns eine recht genaue Vorstellung über eine mögliche Machart eines antiken griechischen Kreisels und die Art und Weise seines Antriebs. Der Kreisel besitzt einen zylindrischen Körper mit spitzem Ende. Der Körper ist mit eingetieften Rillen versehen, auf die die Peitschenschnur des Stabes, denn die junge Frau in der Hand hält, aufgewickelt wird. Nach Abrollung der Schnur wird der Kreisel mit gezielten Peitschenschlägen in Bewegung gehalten. Das Drehen eines Kreisels erfordert durchaus Übung und Geschicklichkeit und war deshalb auch eher ein Zeitvertreib der fortgeschritteneren Jugend. Eine Variante des eben beschriebenen Kreisels steht unserem heutigen Kreisel näher: der Körper besteht aus einer flachen Scheibe, an deren Unterseite eine Spitze angesetzt ist, auf der sich der Kreisel dreht. An der Oberseite ragt ein Stift heraus, der mit den Fingern umfasst wird, um dem Spielzeug den nötigen Schwung zu geben. An Materialen für den antiken Kreisel - griechisch Strobilos oder Bembix - sind belegt: Holz, Ton, Bronze, Blei, Stein und Glas. Einige Kreisel tragen eine plastische Verzierung und sind demzufolge mit beachtlicher Aufwendung hergestellt worden. Nach Anth. Pal. VI 309 gehörten sie neben Bällen, Klappern und Knöchelchen zu den Spielzeugen, die an der Schwelle des Erwachsenwerdens in gerne Heiligtümer geweiht wurden. ![]() Astragale bezeichnen Knöchelchen, die vom Sprunggelenk (talus) des Schafes, der Ziege oder des Rindes stammen. Auf Wunsch wurden Astragale auch in anderen Materialen wie etwa Marmor, Terrakotta, Elfenbein, Bronze oder sogar Gold nachgeahmt. Eine Episode der Argonautika des Apollonios von Rhodos III, 118-132 schildert das Spiel des Eros und Ganymed mit goldenen Knöchelchen, welches der Schelm Eros durch Betrug für sich zu entscheiden weiß. Die ältesten Funde für den griechischen Raum nimmt Knossos auf Kreta für sich in Anspruch und noch heute ist das Würfeln mit den Astragalen in Teilen Griechenlands und Süditaliens verbreitet. Wie beim den Würfeln ergeben die Gegenseiten in der Addition jeweils 7, anders jedoch als beim kubusförmigen Würfel ist die Wahrscheinlichkeit des Wurfes bei allen vier Seiten unterschiedlich groß. Hyption ist mit der breitesten Auflagefläche der statistisch häufigste Wurf, gefolgt von Pranes, Chion und dem schwierigsten Wurf Koon. Ein weiterer Unterschied zum Würfelspiel besteht darin, dass hier nicht die nach oben ragenden Augenzahl, sondern die Wertigkeit der Auflagefläche, auf welcher der Astragal zum Liegen kommt, von entscheidender Bedeutung ist. Der Wurf der Venus, eine Kombination aus 1,3,4 und 6, galt als der Siegerwurf, wogegen der Wurf des Hundes, eine Häufung von vier Einsen, der schlechteste zu erzielende Wurf war. Vom Wurf des Euripides wissen wir, dass er 40 Punkte einbrachte, was über eine einfache Addition der 4 Wertigkeiten, die maximal 24 erreichen kann, weit hinausgeht. Welche Wurfkombination den Wurf des Euripides ausmachte, ist leider unbekannt. Das gilt ebenso z.B. für den Wurf des Alexander, der Berenike, des Stesichoros usw. Die Regeln dieses Spiels waren wohl schon in der Antike alles andere als allgemeingültig. Es dürfte viele zeitlich bzw. regional bedingte Abweichungen und Veränderungen gegeben haben, so dass es nicht verwundert, dass man Bücher, deren Inhalt sich eigens mit den Spielregeln befasste, für nötig erachtete. Augustus beschreibt in einem Brief an Tiberius (Suet. Aug. 71) eine Variante des Knöchelspiels, die wenn sie allgemein bekannt gewesen wäre, nicht einer so detaillierten Beschreibung bedurft hätte. Jeder der eine 1 oder eine 6 würfelte, musste einen Denar in die Mitte legen. Das so angehäufte Geld gewann der erste, der einen Venuswurf schaffte. ![]() Das Erscheinungsbild des gemeinen Würfels hat sich in den letzten 2500 Jahren offenbar nicht gewandelt: der Würfel hat 6 Seiten, jede Seite ist mit Augen versehen, die Summe der gegenüberliegenden Augen ergibt in der Regel Sieben. Daneben gab es in der Antike allerdings auch einige Abweichungen und Sonderformen, die in unseren Augen nur noch wenig mit einem Würfel zu tun haben. In Ägypten, Kleinasien und Etrurien trugen die Würfel anstatt der Augen manchmal Buchstaben, teils sogar ganze Inschriften und, wenn sie Augen besaßen, eine von der Norm abweichende Nummerierung. Dann sind auch polyedrische Würfel belegt, d.h. Würfel mit mehr als sechs Seiten. Eine regionale Besonderheit war der in Ägypten gebräuchliche pyramiden- und stabförmige Würfel. Die spinnen doch, diese Ägypter! An Materialen wurden verwendet: Knochen, Ton, Blei, Bronze, Glas, Elfenbein und Gold. Im Satyrikon 33,2 informiert Petronius den Leser, dass Trimalchio, ein extravaganter Neureicher und geschmackloser Angeber, gar mit kristallenen Würfeln zu spielen pflegte. Der Erklärungsdrang der Antike führte zu einer Reihe von Deutungen bezüglich der Erfindung des Würfelspiels, von denen die des Herodot I 94,3 die wohl amüsanteste ist: Die Lyder hätten das Würfelspiel erfunden, um sich von einer drückenden Hungersnot abzulenken; ein Tag lang wurde gegessen, ein Tag lang wurde gespielt. Die einfachste Form des Spiels mit Würfeln war wie bei den Astragalen Pleistobolinda, das Meisterwurfspiel. Während man im Falle des Astragalspiels vier Astragale verwendete, kamen beim Würfelspiel nur drei Würfel zum Einsatz. Die Summe der Augen wurde addiert, der mit der höchsten Anzahl zum Gewinner erklärt. Seit römischer Zeit verhinderten oder erschwerten Würfelbecher bzw. Würfeltürme das Mogeln. Besonders die Würfeltürme sind kuriose Konstruktionen: oben in den Würfelturm hineingeworfen, rollte der Würfel über an der Innenwand des Turms entlanggeführte schiefe Ebenen oder Stufen dem Ausgang entgegen. EIn solcher bronzener Turm ist in Bonn im Rheinischen Landesmuseum (Inv. 85.269) erhalten. Die Verlockungen des Würfels machten auch vor Kaisern nicht halt. Claudius soll dem Spiel ein so großes Interesse entgegengebracht haben, dass er eigens ein Werk über die Kunst des Würfelspiels verfasste (Suet. Claud. 33). Bösartig entwirft Sen. Apok. 14,4 folgendes Schreckensszenario als ewig währende Strafe des Claudius im Tartarus, das an die vergebliche Mühen eines Sisyphos erinnert:
![]() M. Fittà, Spiele und Spielzeug in der Antike (1998). R. Ineichen, Würfel und Wahrscheinlichkeit (1966). A. Rieche, Römische Kinder- und Gesellschaftsspiele (1984). G. Rohlfs, Antikes Knöchelspiel im einstigen Großgriechenland (1963). U. Schädler, AA 1996, 61-73. E. Schmidt, Spielzeug und Spiele der Kinder im Klassischen Altertum (1971).
Verfasserin: Daniela Ziegler M.A.
© 2004 Institut für Klassische Archäologie Erlangen
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